24. Mai 1967
Gestern hat mir jemand geschrieben:
Ich antwortete. Ich sagte ihm, dies sei nur eine Antwort, um ihm zu helfen, es gebe aber Hunderte davon, die alle genau so gut seien:
Das Göttliche lässt sich leben, kann aber nicht definiert werden...
Ich fügte noch hinzu: "Aber da du mir die Frage stellst, antworte ich."
Einmal sagte Amrita mir auch, dass es für ihn etwas schlicht Undenkbares sei. Da antwortete ich ihm: "Nein, so ist es keine Hilfe. Sie müssen nur denken, dass das Göttliche alles ist (im größtmöglichen Ausmaß), alles, was wir in unserer höchsten und erleuchtetsten Aspiration werden wollen. Alles, was wir werden wollen, das ist das Göttliche." Er war so glücklich! Er sagte mir: "Ach, so wird es ganz einfach!" Aber wenn man es anschaut - wenn man aus seiner mentalen Tätigkeit heraustritt und die Erfahrung ansieht, die man hat - und sich sagt: "Wie soll ich es nur ausdrücken? Wie soll ich es erklären?"... Das Nächste und Zugänglichste ist folgendes: In dieses "Etwas", das wir werden möchten, legen wir instinktiv, spontan alles hinein, dessen Existenz wir anstreben, alles, was wir für das Wunderbarste halten, alles, was der Gegenstand einer intensiven (und unwissenden) Aspiration ist, all dies. Mit alledem nähern wir uns einem "Etwas" und... Im Grunde kann man den Kontakt nicht durch Gedanken aufnehmen; man erlangt den Kontakt durch etwas IDENTISCHES im Wesen, das durch die Intensität der Aspiration erweckt wird. Sobald man den Kontakt - diese Verschmelzung - hergestellt hat, sei es auch nur eine Sekunde lang, ist für einen selbst keine Erklärung mehr nötig: es ist etwas, das sich auf absolute Weise aufdrängt und außerhalb und jenseits aller Erklärungen liegt. Um aber dorthin zu gelangen, legt jeder all das hinein, was ihn am leichtesten weiterführt. Wenn man die Erfahrung hat, dann ist im Augenblick der Verschmelzung, der Verbindung für das Bewusstsein klar, dass allein etwas Identisches das Identische erkennen kann und es folglich der Beweis dafür ist, dass DAS hier ist (Mutter deutet auf das Herzzentrum). Es ist ein Beweis, dass DAS da ist. Durch die Bemühung der Aspiration erwacht DAS. Als ich die Frage erhielt, war es ganz so, als ob diese Person mir sagte: "Ja, ja, all dies ist sehr gut, aber was ist denn nun das Göttliche?" Als ich seinen Brief las, herrschte ein vollkommenes Schweigen, ein Schweigen von allem, und etwas wie EIN EINZIGER Blick - ein einziger, allumfassender Blick -, der sehen will... Ich verharrte so in meiner Betrachtung, bis die Worte kamen. Da schrieb ich: "Hier ist EINE Antwort." - Es gäbe hundert andere... die alle genau so gut wären. Und gleichzeitig, als der Blick auf dieses zu definierende "Etwas" gerichtet war, herrschte überall ein weites Schweigen und eine große Aspiration (Geste wie eine aufsteigende Flamme), mit allen Formen, die diese Aspiration je angenommen hat. Das war sehr interessant... Die Geschichte der Aspiration der Erde... auf ein wunderbares Unbekanntes hin, das wir werden wollen. Und jeder - jeder, der dazu bestimmt war, die Verbindung herzustellen -, glaubt in seiner Einfalt, dass die Brücke, die er überschritten hat, die einzige sei. Ergebnis: Religionen, Philosophien, Dogmen, Glaubensbekenntnisse - Kampf. Alles in allem gesehen ist es sehr interessant, wirklich reizend, mit einem solchen Lächeln, das schaut, oh! dieses Lächeln... das schaut. Dieses Lächeln ist, als ob es sagen würde: "Warum macht ihr alles so kompliziert, es könnte doch so einfach sein!" Um es in literarischer Form auszudrücken, könnte man sagen: "So viel Kompliziertheit für eine so einfache Sache: sich selbst sein." (Schweigen) Was ist denn deiner Meinung nach das Göttliche?
Ich auch nicht! Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Denn sobald ein Bedürfnis bestand zu wissen, kam spontan eine Antwort. Keine Antwort in Worten, über die man sich streiten kann... ein Etwas, wie eine Schwingung. So ist es jetzt fast ständig. Natürlich machen die Menschen alles kompliziert (ich glaube, sie lieben das sehr, weil...), für alles, bei der GERINGSTEN Sache steigt eine Welt von Schwierigkeiten auf. Ich verbringe meine Zeit damit, zu sagen: "Ruhig, ruhig, ruhig - seid still!" Selbst der Körper lebt in Schwierigkeiten (auch er scheint sie zu lieben!), aber plötzlich singen die Zellen spontan ihr OM... In allen Zellen erhebt sich eine kindliche Freude, und sie sagen (Mutter nimmt einen verwunderten Ton an): "Ach, wirklich? Können wir das tun? Haben wir das Recht, so zu handeln?" Das ist irgendwie rührend. Das Resultat stellt sich sofort ein: diese große friedliche und allmächtige Schwingung. Stünde ich nicht unter dem ständigen Druck der Wünsche aus meiner Umgebung, würde ich sagen: "Warum wollt ihr eigentlich wissen, was das Göttliche ist? Was nützt euch das? - Ihr müsst es nur werden." Aber sie verstehen den Scherz nicht. - Ich möchte wissen, was das Göttliche ist. - Aber nein, völlig nutzlos! - Ach?! Scheinbar entrüstet antworten sie: "Ach, ist das etwa nicht interessant?" - Du brauchst es nicht zu wissen: du musst es WERDEN. Die große Mehrzahl der Intellektuellen scheint nicht zu begreifen, dass man etwas tun oder sein kann, ohne zu wissen, was es ist. Um sich einen Scherz zu erlauben, könnte man auch sagen: "Man ist Gott dann am nächsten, wenn man es nicht weiß."
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(Etwas später liest Mutter einen Brief von Sri Aurobindo vom 25. Januar 1935 über den russischen Kommunismus und die Spiritualität vor.)
Welch wunderbar klare Schau! So allumfassend, er vergisst nichts. Jedes Wort ist voller Sinn. Die Dinge gehen jetzt schnell voran. Er sah ganz klar: es geht so, wie er sagte, jetzt geht es im Galopp voran. Und die Amerikaner!... Sie gaben vor, eine "Abrüstungskampagne" in Gang zu setzen, aber sie selbst sehen keine Möglichkeit dazu: Sie sind voller Angst und Misstrauen. Ihre "Lösung" ist, Waffen an alle Welt zu verkaufen! (Mutter lacht) Mit der Idee, vor allem Geld zu verdienen, und dann "die Gleichheit herzustellen"!
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